Pina Bausch war vielleicht die berühmteste deutsche Choreografin. Ihre Arbeit war anders als die der anderen – Naturelemente und Straßen fanden sich in ihrer Musik und in ihrem Tanz, die Außenwelt war integriert. Der deutschen Regisseur Wim Wenders bewunderte sie zutiefst. Er wollte ihr Leben und ihre Arbeit lange dokumentieren, bestand aber darauf zu warten, bis die 3D-Technologie weit genug für seine Erwartungen war. Doch Pina erkrankte an Krebs und starb wenige Tage vor Drehbeginn.
Ursprünglich sollte Pina und ihre einzigartige Stimme im Mittelpunkt dieses Films stehen. Ihre Anwesenheit ist immer noch in allen Räumen und Szenen zu spüren, wie ein Geist, sowie in der Arbeit ihrer Schüler. Lediglich in alten Aufnahmen ist sie zu sehen. Und natürlich sprechen die Erinnerungen ihrer Tänzer. Der Zugang in die engsten Kreise ihrer Truppe war ein mühsamer und anspruchsvoller Prozess, und die Verbundenheit, die ihre Tänzer zu ihr empfinden, wirkt fast schon religiös, wie von Klosterbrüdern zum Abt. Wenn sie von ihr sprechen, sind ihre Stimmen ehrfürchtig. Es muss nie erwähnt werden, dass sie nicht mehr unter ihnen weilt; der Schmerz und der Schock schwingen in ihren Stimmen.
Nicht einmal sprechend wird sie gezeigt. Wenders betreibt viel Aufwand, um ihre Stimme von ihrer physischen Präsenz zu trennen. Er benutzt sorgfältig geschnittene Nahaufnahmen, und wir hören ihre Gedanken nur im Voiceover.
Eine Choreographie im Film benutzt Strawinskys “Das Frühlingsopfer” und die Aufführung findet auf einer mit Erde und Sand bedeckten Bühne statt. Tänzer hinterlassen Spuren auf dieser Oberfläche, während sie laufen, rutschen und sogar darauf kriechen, und vielleicht stellen sie Lebewesen dar, die ihren Weg vom Boden zur Sonne einschlagen. Und es gibt “Vollmond” mit einem Wasserfall auf der Bühne. Die Tänzer bespritzen sich und einander und schleudern Wasserstrahlen wie Ausdehnungen ihrer Bewegungen in die Luft.
Die meisten Tänze sind choreographiert, um von der Sichtweise des Publikums aus gesehen zu werden. Die Dokumentation wich mit dem Ableben Pinas einer Ehrerbietung Pinas, einer Vorstellung, denn Wenders schien zu wissen: Pinas Standpunkt hätte nur sie selber wiedergeben können.
Demzufolge wirkt die gesamte Dokumentation beinahe wie ein Traum. Die Tänzer scheinen komplett absorbiert zu sein. Alle diese Tänze hatten sie ja schon oft zuvor getanzt, allerdings immer nur mit Pina Bausch, ihrer großen Mentorin in ihrer Mitte. Jetzt sind sie allein.